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Crying-in costume

Den Tod tragen, 2012-2019, von Kerstin Grießhaber & Julia Hartmann, Fotos: Samuel Perriard.

In seinem Buch „Die Matrix der Gefühle. Das Kino, das Melodram und das Theater der Empfindsamkeit” postuliert der Filmwissenschaftler Hermann Kappelhoff 2004, dass das Weinen ein Bekenntnis des menschlichen Subjekts zu seiner Verletzbarkeit sei. Später, schreibt er, wurde das Weinen privatisiert.

Für unsere Arbeit „Den Tod tragen“ stellten wir, Kerstin Grießhaber und Julia Hartmann, uns die Frage, wie man das Weinen, als Zeichen der Verletzbarkeit und der Trauer heute künstlerisch sichtbar machen kann, um so an einer gegenwärtigen und konkreten Trauerkultur zu arbeiten und an die Notwendigkeit einer solchen zu erinnern.

Wir entwarfen objekthafte Bekleidungsstücke, die sich mit der traditionellen Toten- und Erinnerungskultur in Deutschland auseinandersetzen und von deren Materialität inspiriert sind.Wir forschten zu traditionellen Ritualen und Objekten der Toten- und Erinnerungskultur in Deutschland, wie beispielsweise den Totenbrettern, die zur Aufbahrung der Toten dienten und nach der Bestattung als Andenken aufgestellt wurden oder dass man aus den Haaren Verstorbener Personen Gedenkschmuck fertigte. Diese wiederentdeckten Rituale und Objekte nahmen wir zum Anlass für eine Neuinterpretation für unsere Bekleidungsobjekte und arrangierten diese in inszenierten Fotografien. 

Darin legen die Träger:innen diese Bekleidungsobjekte ritualhaft, Schicht für Schicht an. Zuerst das weisse Hemd (Seide bearbeitet), dann die Kappe, die die Haare als Identitätsträger verdeckt, dann ein trachtenartiges Objekt, das aus Gummi geknüpft ist und schließlich ein Kopfputz, der aus Holz und schwarzem Samt gefertigt ist.

Der Kopfputz vollführt in der gesamten Fotoserie, von der hier zwei Fotografien zu sehen sind, dieselbe Bewegung wie die Totenbretter, von der horizontalen in die vertikale. Somit lässt der Kopfputz den zukünftigen Tod der Träger:innen bereits erahnen. Die trauernde Person ist zugleich die zukünftige tote Person.

Die Bekleidungsobjekte verändern die Silhouette der Träger:innen unabhängig davon von wem sie getragen werden. Sie sind nicht personalisiert oder Geschlechter spezifisch. Sie werden so zu kollektiven Objekten einer möglichen Trauerkultur, die es weiter zu entdecken gilt.