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How long until it disappears?

Tränen bestehen zu 98% aus Wasser. Wasser finden wir überall auf dieser Welt, weshalb dieser Stoff zu recht auch als Baustein des Lebens bezeichnet wird. Über Wasser denken wir nicht nach. Wir denken nicht nach, wieviel davon in unsere Essen steckt, in der Luft oder in uns selbst. Wir versuchen, Wasser zu meiden, indem wir daraus Limonade machen, Kaffee oder Tee. Über Tränen wird nachgedacht. Wir bilden uns Meinungen, verhandeln diese auf emotionaler Basis, tauschen uns darüber aus oder weinen im Stillen. Was steckt also hinter diesen 2%?

Wasser an sich, und so auch Tränen, können die verschiedensten Formen annehmen. Auch Tränen können frieren, sich verflüssigen und ebenso verdampfen, sie nehmen Gestalt an, verändern diese wieder, verbinden sich, stoßen sich ab, sinken ein, perlen herunter, sammeln sich oder verschwinden. Wie verhalten sich Tränen zu der Umwelt? Nicht nur zu mir? Wie tritt ein losgelöster Teil von mir in Kontakt mit meinem Umfeld? Ist es überhaupt ein Teil meiner selbst? Hat jemals zu mir gehört?

Ich bemerke, dass das Verhalten meiner Tränen meine Emotionen beeinflusst. Ich kann ihnen bewusst beim Verlassen meiner selbst zusehen, wie sie sich verselbstständigen, wie ich Kontrolle verliere, wie ich sauer auf sie werde, wenn sie mein Gesicht hinunter laufen und ohne zögern in meinem Pullover verschwinden. Ich kann sie genauso wenig kontrollieren wie meine Emotionen, die sich dabei fast sprunghaft bilden.

Ich ertappe mich dabei, sie auf verschiedene Untergründe tropfen zu lassen und mich damit auseinander zu setzen. Wieviel Zeit vergeht, bis sie verschwinden? Wieso finde ich das gut/schrecklich? Ich werde bockig, wenn sie auf Stoff landen, sich verflüchtigen, einen Fleck von sich selbst hinterlassen, mit dem ich mich nicht mehr identifizieren kann. Ich bin wütend, wenn meine Tränen versiegen, ohne Spur, als ob sie selbst und meine Gefühle, die sie ausgelöst hatten, keine Bedeutung tragen würden.

Ich tropfe sie auf die Erde meiner Zimmerpflanze und frage mich, ob diese nach 100 Tränen eingeht oder ob ich spinne. Ob es wahr ist, dass Pflanzen schlechte Laune spüren? Bisher ist noch nichts passiert.

Ich tropfe sie auf eine Glasplatte und zwinge sie, so lang mit mir zu bleiben, bis ich ihnen das Verschwinden gestatte. Das ist schließlich das mindeste, was sie mir schulden. Mit mir zu verweilen und alles zu fühlen oder nichts zu fühlen oder zu denken und nicht zu denken was ich will.

So sitzen wir dann da. Wir starren uns an. Jeder wartet auf das Verschwinden des Anderen. Dennoch bin ich die einzige, die bleibt. Die Träne verschwindet irgendwann. Aber es gibt mir Zeit, mich zu fokussieren, meine Gedanken zu sammeln. So bin ich nicht sauer, sondern beruhigt, wenn die Zeit angemessen ist, wenn ich mit dem Verschwinden der Tränen und dem Verweilen von mir selbst Frieden geschlossen habe. Sonst fühle ich mich zurückgelassen. Ein Grund, noch mehr zu weinen.

OberflächeZeit bis zum Verschwinden der Tränemein Gefühl nach dem Verschwinden
Stoff0ssauer, wütend, bockig
Erde13sargwöhnisch, gequält
Papier443sbekümmert, betrübt, mürrisch
Kork1386sberuhigt, sorglos, ruhig, gelassen
Glas2574serleichtert, gelangweilt, leer

How long until it disappears? Zu kurz. Meistens zu kurz. Manchmal genau richtig. Oder zu lang.